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Hintergrundinformationen Gefrierender Regen
     
 

Der gefrierende Regen ist die gefährlichste Wettererscheinung im Winterhalbjahr. In wenigen Sekunden können Straßen und Wege durch plötzlich einsetzenden Regen oder Sprühregen extrem glatt werden. Gefährliche Unfälle sind besonders auf den Autobahnen und Schnellstraßen die Folge. Auf den Gehwegen wird ein Fortbewegen fast unmöglich gemacht. Knochenbrüche und andere noch gefährlichere Verletzungen von Fußgängern sind bei eisglatten Wegen regelmäßig zu beklagen.

 

Wie entsteht gefrierender Regen?

Eisregen besteht entweder aus Eiskörnern oder aus unterkühlten Wassertropfen. Bei der Niederschlagsbildung in großen Höhen entstehen Eiskristalle. Diese Eiskristalle wachsen an und werden zu schwer. Sie sinken zum Boden ab, dabei fallen die Schneeflocken in eine warme Luftschicht, die meist zwischen 800 und 2000 m Höhe zu finden ist. Hier liegen die Temperaturen meist deutlich über 0 Grad. Die Schneeflocken schmelzen zu Regentropfen. In Bodennähe herrschen aber noch Temperaturen unter 0 Grad, so daß der Regentropfen Temperaturen unter 0 Grad annimmt. Sobald er auf eine Oberfläche trifft, gefriert der Regentropfen sofort. Gefährliches Glatteis entsteht.

 

Glättefallen durch Reif und überfrierende Nässe

Von Karsten Brandt

Es ist spät geworden, der Besuch hat lang gedauert. Die Kühle der Nacht schlägt uns beim Weg zum Auto entgegen. Schnell los und nach Hause. Die Sicht ist gut und die Straße nur etwas feucht. Das Thermometer im Auto zeigt 4 Grad. Nach ein paar Minuten ging alles ganz schnell. Nicht mal Zeit für einen Schreck blieb uns….

Ca. 20.000 Unfälle mit Personenschaden gab es in Deutschland im Jahr 2004 (nach dem Statistischen Bundesamt). Die Ursache: Glätte jeglicher Art.

Bei glatten Straßen gibt es besonders viele Schwerverletzte oder Getötete.

Abb.: Klarer Himmel im Spätherbst ist die Voraussetzung für Reif.

Die eingangs beschriebene Situation ist typisch für viele Winterunfälle. Abends und nachts ist die Straße in Wohngebieten meist glättefrei, aber außerhalb der bebauten Gebiete, an Hanglagen, Brücken und in Tälern kann sich schon überfrierende Nässe oder Reif gebildet haben. Der Autofahrer erfährt dann einen plötzlichen Wechsel von einer trockenen zu einer glatten Straße, kann unter ungünstigen Umständen ins Rutschen kommen und einen Unfall verursachen.

Für Autofahrer ist Glätte durch überfrorenen Tau oder Reif kaum zu erkennen, da sich die Temperaturen und die Straßenbedingungen auf wenigen Metern vollständig verändern können.

Bei der Bildung von Tau und Reif herrschen bestimmte Bedingungen. Wenig Wind und eine nur geringe Bewölkung im Winterhalbjahr sind optimale Voraussetzungen. Die Erdoberfläche kühlt sich ab. Sie verliert in den Abend- und Nachtstunden Energie in den Weltraum. Besonders die Bodenoberfläche kühlt sich dann sehr rasch stark ab.

Herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit, kann auf der Oberfläche sehr schnell Kondensation einsetzen, und erste Tautröpfchen und Eisnadeln bilden sich. Tau fällt also nicht wie bei anderen Niederschlägen, sondern bildet sich auf den Oberflächen.

Je nach Stärke der Abkühlung der verschiedenen Oberflächen entsteht mehr oder weniger Tau. Auf Grasflächen, Auto- und Hausdächern entstehen große Tau- und Reifmengen. Auch Brücken sind anfällig für große Tau- und Reifmengen. Bürgersteige und Straßen sind dagegen nicht so schnell von einer Reifdecke überzogen.

Der Grund für die Unterschiede liegt in den mikroklimatischen Eigenschaften der Oberflächen. Asphalt und Steinplatten speichern die Wärme tagsüber und geben sie abends und nachts nur langsam ab. Die Oberflächentemperaturen sind deutlich höher in den Nachtstunden. Über Gras und anderer niedriger Vegetation ist die Abkühlung am stärksten mit Temperaturen bis zu 15 Grad unter der Lufttemperatur in 2 Meter Höhe.

In diesen mikroklimatischen Unterschieden liegt auch die Ursache für das große Überraschungspotential in Kurven und Hanglagen. Große Teile der Asphaltstrasse mögen glättefrei sein, bestimmte Stellen sind dann plötzlich glatt, da hier die mikroklimatischen Bedingungen ungünstiger sind.

Auch bei überfrierender Nässe kann es Überraschungen geben. Während Glatteisregen und Schnee für den Autofahrer meist vorhersehbar sind, da die Straßen meist überall glatt sind, tritt überfrierende Nässe häufig nur örtlich auf. In Kurven, besonders in waldreichen Gebieten, können Feuchtigkeitsreste, die von tagsüber aufgetautem Schnee oder noch von Niederschlägen stammen, überfrieren. Hier entstehen gefährliche Situationen, denn der Autofahrer rechnet nicht mit überfrierender Nässe, da die meisten Straßen trocken sind.Verbreitet glatt wird es dann, wenn der Regen bei nur wenig über 0 Grad fällt und rasch nach dem Regen Frost einsetzt. Dann muss auf fast allen Straßen mit Eis gerechnet werden.

Tauwasser nach Schneefällen ist häufig eine Ursache für verbreitet überfrierende Nässe auf den Straßen.

Häufiger ist aber die Situation, in der Glätte nur vereinzelt an ungünstigen Stellen entsteht. Hier liegt zwischen dem Regen und dem Frost eine längere Zeit, so dass viele Straßen schon trocknen konnten.

Eine typische Wettersituation, in der verbreitet überfrierende Nässe auftritt, ist eine Regenfront tagsüber oder am Abend. Später klart der Himmel auf, die Temperatur sinkt rasch ab, und es wird glatt.

Beim Glatteisregen sind meist nur die ersten Minuten gefährlich, wenn der Regen einsetzt. Hier wird vom Autofahrer das Glättepotential unterschätzt und mit zu hoher Geschwindigkeit beim Regen weitergefahren. In dieser Situation entstehen ebenfalls viele Unfälle.

Die Automobilindustrie versucht mit Techniken die Glättegefahr zu entschärfen.

Während neue Techniken im Auto, wie ABS und ESP, bei winterlichen Straßenverhältnissen Autos auch auf glatter Strecke zumindest in einigen kritischen Situationen stabilisieren können, gibt es nur wenige technische Warnmöglichkeiten vor überraschender Glätte in Kurven und an Hanglagen zu warnen. Verschiedene Autofirmen denken darüber nach, dass Autos an andere Autos Warnungen vor Glätte per Funk verschicken können, so dass vor einer Glättestelle gewarnt werden kann. Eine weitere Möglichkeit wären Glättefühler im Auto. Diese können aber Glätte nicht im Voraus ermitteln, so dass sie die gefährlichen Situationen kaum entschärfen können.

Bisher hilft dem Autofahrer nur bei Lufttemperaturen unter 3 ° C und geringer Bewölkung in der Nacht und in den Frühstunden, besonders auf Brücken und in Flusstälern sehr vorsichtig zu sein und mit verminderter Geschwindigkeit diese Stellen anzufahren. Die Warnschilder am Straßenrand zeigen viele dieser gefährlichen Stellen an (allerdings nicht alle). Auch die Wetterberichte können eine große Hilfe sein, denn vor Reif in der Nacht wird immer am Nachmittag gewarnt.

© 22.11.2005 Karsten Brandt

 

 

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